SPD, FDP und Grüne plädieren zurzeit für eine baldige Änderung des „Rasse-Begriffs“ in Gesetzestexten in Deutschland. Der beauftragte wissenschaftliche Dienst hat gezeigt, dass dies durch die Verwendung von alternativen Formulierungen möglich ist. Derzeit beinhalten noch acht der 16 Landesverfassungen Bestimmungen, die das Wort Rasse inkludieren – meist in Zusammenhang mit Gleichheitsrechten oder Diskriminierungsverboten.
So wird der Begriff in der Landesverfassung Rheinland-Pfalz bezüglich des Schutzes der Ehre (Artikel 4) und beim Zugang zu öffentlichen Ämtern (Artikel 19) verwendet.
Im Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes werden als besserer Begriff für „Rasse“ die alternativen Formulierungen „Rassismus“ und „rassistisch“ vorgeschlagen, um das Schutzbedürfnis der Verfassung auf diese Weise deutlich zu machen.
Artikel 4 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz würde dann beispielsweise lauten, dass “(…) rassistische Beleidigungen oder solche, die sich gegen einzelne Personen oder Gruppen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer religiösen, weltanschaulichen oder anerkannten politischen Gemeinschaft richten“ durch öffentliche Klage verfolgt werden sollten.
Eine solche Umformulierung wäre auch in Bezug auf §1 AGG möglich. Dort steht: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“
Auf diesen Satz wird beispielsweise auch in der Online-Schulung „AGG und Gleichstellung“ und in unseren Datenschutz-Schulungen Bezug genommen.
Das Grundgesetz in Deutschland wurde seit 1949 bereits 64-mal geändert. Und doch steht heute noch in Artikel 3 im Grundgesetz: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
Es geht in der aktuellen Debatte keinesfalls um die Anfechtung der Aussage, sondern vielmehr um den Wortlaut und darum, dass das Wort „Rasse“ – hier stellvertretend für „rassistische Diskriminierung“ – als Begriff selbst an eine verfassungswidrige Ideologie erinnert. Eine Ideologie, der gerade das Grundgesetz deutlich widerspricht.
Die Forderung den Begriff zu streichen basiert auf der Argumentation des sog. Framings: Dieser Terminus beschreibt die Gefahr, dass die Ausdrucksweise einer Gesellschaft Schablonen für die Wahrnehmung liefert und auf diese Weise gewisse Begriffe auch die Denkweisen der Menschen stimulieren.
Bereits 2009 empfahl das Deutsche Institut für Menschenrechte die Korrektur im Grundgesetz, da der Begriff Rasse „historisch extrem belastet“ sei und so der Eindruck erweckt werde, dass es tatsächlich unterschiedliche Rassen gäbe. Und dem Rassismus in Deutschland auf diese Weise eine Grundlage geboten würde, die dazu führen kann, dass bestimmte Gruppen benachteiligt, diskriminiert und bedroht werden.
Auch der Jurist Henrik Cremer argumentiert, dass jeder der sich auf Artikel 3 im Grundgesetz berufe, unweigerlich gezwungen sei, rassistische Terminologien zu verwenden.
Eine Korrektur dieses unauflösbaren Widerspruchs wäre in seinen Augen ein „wichtiges Signal, endlich Sprachgewohnheiten aufzubrechen und die scheinbare Akzeptanz von Rassekonzeptionen zu beenden“.
Das Wort „Rasse“ stammt ursprünglich aus der Pferdezucht. Vor über 500 Jahren wurde der Begriff im Zusammenhang mit der Rückeroberung der arabisch dominierten Gebiete in Nordspanien erstmals auch auf Menschen angewendet.
Die Spanier begannen damals, die Menschen aufgrund von Äußerlichkeiten und Religionszugehörigkeiten in Hierarchien einzuteilen. Daraufhin wurde der Begriff sowohl in der Seefahrt, bei der Entdeckung und Eroberung neuer Länder, als auch vermehrt in der Wissenschaft angewendet.
Ärzte und Forscher begannen, menschliche Äußerlichkeiten bestimmten „Rassen“ zuzuschreiben. Die europäische Expansion und vorherrschende Aufklärungsphilosophie des 18. Jahrhunderts lieferte letztendlich die Theorien, die schließlich im 20. Jahrhundert die Grundlage für die Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten bildeten und noch heute ein Nährboden für Rassismus darstellt.
Selbst im Tierreich gibt es keine natürlichen Rassen. Der Begriff wird lediglich in der Haustierzucht verwendet. Beispielsweise bei Hunden, Rindern oder Pferden hat der Mensch sog. Rassen gezüchtet. Wildtiere, bei denen lediglich die natürliche Evolution ihren Einfluss ausübt, haben keine Rassen.
Anders als bei den Menschen kann es jedoch unterschiedliche Arten geben. Tiere die unterschiedlichen Arten angehören können keinen Nachwuchs zeugen. Bei Menschen jedoch gibt es nur den Homo sapiens. Es gibt deshalb aus biologischer Sicht keinen Anlass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft in Arten oder Rassen zu unterteilen.
„Heute muss man aus historischer und biologischer Sicht sagen, dass der Begriff dem Rassismus Vorschub leistet.„
Julien Bobineau, Literaturwissenschaftler
Sowohl Zoologen als auch Anthropologen sind sich bei dieser Diskussion einig, dass menschlichen Rassen nicht existieren. Allein die Annahme, dass Menschen nach Rassen unterschieden werden könnten, ist eng verknüpft mit einer Bewertung solcher vermeintlichen Rassen. Dafür gibt es aber keine biologische Begründung. Deshalb lautet das Fazit der „Jenaer Erklärung“, die 2019 von verschiedenen Wissenschaftlern formuliert wurde: „Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung.“ Denn die Rassentheorie als Produkt des Kolonialismus, als Mittel zum Zweck die Menschen in höher- und niederwertigere Rassen zu unterteilen hat den noch heute existierenden Rassismus und die damit verknüpfte Diskriminierung erst entstehen lassen.
Eben aufgrund dieser unumstrittenen Widerlegung des menschlichen Rassenkonzepts würden auch wir bei lawpilots die 65. Änderung des Grundgesetzes und der einzelnen Länderverfassungen durch das Streichen des Rassebegriffs begrüßen. Solang dies jedoch nicht geschehen ist, sind wir bei der Wiedergabe der entsprechenden deutschen Gesetzestexte, wie etwa in unserer Online-Schulung AGG und Gleichbehandlung, weiterhin dazu verpflichtet, jene in der aktuell gültigen Formulierung zu verwenden.
Quellen: