12 min Zuletzt auktualisiert: 12.03.2024

Pinkwashing: Was das ist und warum Unternehmen Abstand davon nehmen sollten

Pinkwashing oder ehrliches Engagement

Pinkwashing ist ein Begriff, der in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt ist. Er beschreibt die Praxis von Unternehmen und Organisationen, die LGBTQ+-Freundlichkeit oder -Unterstützung als Marketingstrategie nutzen, ohne jedoch eine echte oder tiefergehende Verpflichtung zu diesen Werten zu zeigen. Diese Strategie kann besonders während des Pride-Monats beobachtet werden. Dann werden häufig Logos in Regenbogenfarben getaucht und Produkte speziell für die LGBTQ+-Gemeinschaft vermarktet, ohne dass die Unternehmen in ihrem Kerngeschäft oder in ihrer Unternehmenskultur substantielle Unterstützung oder Inklusion dieser Gemeinschaft praktizieren. Erfahren Sie, was Pinkwashing genau ist, warum es Unternehmen schadet und wie Sie es erkennen und verhindern können. 

Was ist Pinkwashing?

Unter dem Begriff Pinkwashing versteht man die scheinbar ehrlich gemeinte Solidarität von Unternehmen mit der LGBTQI+ Community, die sich bei genauem Hinblicken als reine Marketingmasche entpuppt. Sie geht faktisch nicht über die Verwendung von bestimmten Symbolen aus der queeren Szene wie zum Beispiel Regenbogenflaggen hinaus. Hintergrund ist dabei regelmäßig das Ziel der Umsatz- bzw. Imagesteigerung. Diese wird angestrebt, indem sich das betreffende Unternehmen über Werbemaßnahmen als besonders tolerant, fortschrittlich und weltoffen darstellt. In der Praxis werden Unternehmen, die Pinkwashing betreiben, dem Schein dann aber nicht gerecht. Dies zeigt sich insbesondere beim Umgang des Unternehmens mit queeren Menschen, aber auch beim allgemeinen Umgang mit Diversität in der Belegschaft oder im geschäftlichen Miteinander mit KundInnen und GeschäftspartnerInnen.

Woher stammt der Begriff Pinkwashing?

Der Ursprung des Begriffs Pinkwashing findet sich in Amerika, als Kosmetik- und Pharmafirmen begannen, rosafarbene Schleifen auf ihre Produkte zu drucken. Diese Schleife war ein Symbol für den Kampf gegen Brustkrebs, den die Firmen unterstützten. Das Problem bei diesem ganzen Unterfangen war, dass genau diejenigen Produkte in Verdacht standen, Krebs auszulösen. KritikerInnen straften die Kampagne ab und sagten, dass es sich um eine kalkulierte PR-Strategie handle. Sie bezeichneten sie als Pinkwashing. Mittlerweile wird der Begriff in einem anderen Kontext verwendet, hat sich aber in der Bedeutung nicht gewandelt. Gerade im Pride Month verwenden viele Firmen die Regenbogenflagge, um ihre Produkte oder auch das eigene Firmenlogo damit zu schmücken. Oft ist das nichts mehr als reines Marketing.

Auf welche Weise schadet das Pinkwashing Unternehmen?

Pinkwashing stellt eine ernstzunehmende Gefahr für Unternehmen dar. In der Ära der sozialen Medien können unaufrichtige oder oberflächliche Bemühungen eines Unternehmens schnell aufgedeckt und verbreitet werden. Ein öffentlicher Backlash kann nicht nur die Markenwahrnehmung negativ beeinflussen, sondern auch zu Boykottaufrufen führen.  Durch solche nicht ernst gemeinten Kampagnen ein enormer Vertrauensverlust entstehen.  Zudem kann Pinkwashing bei LGBTQ+-Mitarbeitenden und ihren Verbündeten ein Gefühl der Enttäuschung und Entfremdung hervorrufen, wenn sie feststellen, dass die öffentlichen Bekenntnisse ihrer ArbeitgeberInnen nicht mit der internen Unternehmenspraxis übereinstimmen. Dies kann zu einer geringeren Mitarbeiterbindung und zu Schwierigkeiten bei der Talentgewinnung führen. Auch InvestorInnen und AnteilseignerInnen legen zunehmend Wert auf nachhaltiges und ethisches Geschäftsverhalten. Unternehmen, die als unauthentisch in ihrem Engagement für soziale Fragen, einschließlich LGBTQ+-Rechte, wahrgenommen werden, können Schwierigkeiten haben, Finanzierungen zu sichern oder könnten von nachhaltigen Investitionsfonds gemieden werden. 

Wie kann man Pinkwashing erkennen?

Es gibt vielfältige Anzeichen für Pinkwashing. Unter anderem die folgenden: 

  • Oberflächliche Unterstützung: Unternehmen, die sich nur während des Pride Months oder zu ähnlichen Anlässen öffentlich für LGBTQ+-Rechte einsetzen, ohne dies durch kontinuierliche Unterstützung oder Initiativen zu untermauern, betreiben möglicherweise Pinkwashing. Echte Unterstützung ist ganzjährig und nicht nur zu marketingstrategisch günstigen Zeiten sichtbar.
  • Mangel an internen Richtlinien: Wenn ein Unternehmen in seiner Außendarstellung LGBTQ+-freundlich wirkt, intern jedoch keine inklusiven Richtlinien oder Praktiken wie Gleichstellungsrichtlinien, Unterstützung von LGBTQ+-Mitarbeitergruppen oder Anti-Diskriminierungs-Schulungen hat, kann dies ein Zeichen für Pinkwashing sein.
  • Diskrepanz zwischen Werbung und Handeln: Unternehmen, die LGBTQ+-freundliche Kampagnen führen, gleichzeitig aber finanzielle oder politische Unterstützung für Anti-LGBTQ+-Organisationen oder -PolitikerInnen leisten, betreiben Pinkwashing. Die Überprüfung der politischen und finanziellen Engagements eines Unternehmens kann Aufschluss darüber geben.
  • Fehlende Beteiligung der LGBTQ+-Gemeinschaft: Echte Unterstützungsmaßnahmen werden oft in Partnerschaft mit LGBTQ+-Organisationen entwickelt und umgesetzt. Fehlt eine solche Zusammenarbeit, könnte dies darauf hinweisen, dass die Bemühungen hauptsächlich marketinggetrieben sind und weniger an den tatsächlichen Bedürfnissen der Gemeinschaft ausgerichtet sind.
  • Unverhältnismäßiger Marketingfokus: Wenn die Unterstützung für LGBTQ+-Rechte hauptsächlich durch limitierte Produktlinien oder -angebote erfolgt, die speziell für die Zielgruppe vermarktet werden, ohne dass das Unternehmen in substantielle Unterstützungsprogramme oder -initiativen investiert, kann dies ein weiterer Indikator für Pinkwashing sein.
  • Kritik aus der LGBTQ+-Gemeinschaft: Feedback und Kritik von LGBTQ+-AktivistInnen und -Organisationen können wertvolle Einblicke geben. Unternehmen, die für ihre vermeintliche Unterstützung kritisiert werden, weil sie als unauthentisch oder oberflächlich wahrgenommen werden, könnten sich des Pinkwashings schuldig machen.
  • Transparenz und Rechenschaft: Ein Mangel an Transparenz bezüglich der Unterstützung von LGBTQ+-Initiativen oder der Verwendung von Einnahmen aus LGBTQ+-spezifischen Produkten kann ein Hinweis darauf sein, dass ein Unternehmen nicht ernsthaft an der Förderung der Rechte oder des Wohlergehens der Gemeinschaft interessiert ist.

Prominente Beispiele von Pinkwashing

Natürlich gibt es auch prominente Fälle von Pinkwashing, die die Ernsthaftigkeit des Imageverlustes für Unternehmen deutlich machen: Mit Blick auf einen der Big Player des Unternehmens-Universums landet man bei Amazon und seinen Pinkwashing-Vorwürfen. Der Konzern ist bereits seit längerem bekannt dafür, dass er schlechte Arbeitsbedingungen und Löhne bietet. Nun mischen sich zu diesen Vorwürfen auch noch jene des Pinkwashings dazu. Amazon ist regelmäßig Unterstützer von Pride-Aktionen und macht damit auch Werbung auf Social Media. Indessen hat sich eine “Glamazon” Affinity Group gegründet, die es sich zum Ziel gemacht hat, ein tolerantes Arbeitsklima und Chancengleichheit zu fördern. Allerdings lässt deren Transparenz zu Wünschen übrig, da nicht nachvollziehbar ist, wie viele Mitglieder ihr angehören oder mit welchen Methoden sie ihre Ziele durchsetzen wollen. Amazon behauptet von sich selbst, dass sie Maßnahmen treffen würden, damit sich alle Mitarbeitenden im Konzern wohl und geschätzt fühlen . Das steht jedoch in Kontrast dazu, dass Amazon laut diversen Berichten an homophobe PolitikerInnen Geld spendet und rechts-konnotierte Produkte verkauft.

Daimler hebt sich in dieser Thematik ebenso wenig positiv hervor: Der Konzern wirbt mit seinem eigenen Daimler Pride Month. Das Ziel dessen sei die Förderung einer Kultur des Respektes und der Wertschätzung. Das steht konträr zum Fakt, dass Daimler Rüstung an queerfeindliche Regime liefert. Dabei liefert er nicht nur selbst produzierte Rüstungsfahrzeuge, sondern ist auch noch der größte Anteilsinhaber der Airbus Group. Dabei handelt es sich um den zweitgrößten Rüstungskonzern Europas und ein Unternehmen, das in den letzten Jahren durch die Auslieferung von Waffen und Equipment an Länder wie beispielsweise Saudi Arabien oder Lybien. Beide sind bekannt für die Verfolgung von LGBTQIA+-Personen. Auch in Bezug auf den Lebensmittellieferanten Gorillas gibt es immer wieder Kritik bezüglich Pinkwashings. Es gab Berichte über transfeindliche Beleidigungen gegen Mitarbeitende des Unternehmens, auf welche das Unternehmen nicht reagiert hat.

Auf welche Art lässt sich Pinkwashing vermeiden?

Um Pinkwashing effektiv zu vermeiden, ist es wichtig, dass Unternehmen echtes Engagement zeigen und dieses fest in ihrer Kultur verankern. Hier sind einige Maßnahmen:

  • Echtes Engagement zeigen: Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre Unterstützung für die LGBTQ+-Gemeinschaft nicht nur behaupten, sondern diese auch tief in ihrer Firmenkultur verankern. Dazu gehört Diskriminierung aktiv bekämpfen und Vielfalt zu fördern.
  • Inklusive Richtlinien umsetzen: Unternehmen sollten Richtlinien einführen, die Diskriminierung verhindern und Gleichstellung fördern, wie z. B. den Schutz und die Unterstützung von LGBTQ+-Mitarbeitenden durch Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Bereitstellung von gesundheitlichen Leistungen, die auf spezifische Bedürfnisse eingehen.
  • Bewusstsein und Verständnis fördern: Schulungen für alle Mitarbeitenden sind essenziell, um Bewusstsein für LGBTQ+-Themen zu schaffen und eine inklusive Arbeitsumgebung zu fördern.
  • Mit der LGBTQ+-Gemeinschaft zusammenarbeiten: Eine enge Zusammenarbeit mit LGBTQ+-Organisationen hilft, deren Bedürfnisse zu verstehen und effektiv zu unterstützen, sei es durch Partnerschaften, Sponsoring oder direkte finanzielle Unterstützung.
  • Offene Kommunikation pflegen: Unternehmen sollten offen über ihre Bemühungen und Erfolge im Bereich LGBTQ+-Inklusion berichten und auch Herausforderungen und Lernprozesse nicht verschweigen.
  • Marketing authentisch gestalten: Marketingkampagnen sollten die Vielfalt der Gesellschaft authentisch widerspiegeln und nicht auf stereotypen Darstellungen basieren. Diverse Teams, die LGBTQ+-Stimmen einschließen, können hier einen Unterschied machen.
  • Langfristiges Engagement zeigen: Wichtig ist ein kontinuierliches Engagement für LGBTQ+-Rechte, das über einmalige Aktionen hinausgeht. Unternehmen sollten ihre Praktiken regelmäßig überprüfen und anpassen, um Inklusion und Gleichberechtigung zu stärken.
  • Rechenschaft ablegen und evaluieren: Unternehmen sollten Mechanismen einrichten, um die Wirksamkeit ihrer Inklusionsmaßnahmen zu überwachen und zu bewerten, und das Feedback von LGBTQ+-Mitarbeitenden und -Gemeinschaften in den Verbesserungsprozess einbeziehen.
  • Führungskräfte als Vorbilder: Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle, indem sie sich sowohl öffentlich als auch intern für LGBTQ+-Rechte einsetzen und eine Kultur der Akzeptanz und Inklusion vorleben.

Fazit

Das Phänomen des Pinkwashings stellt eine komplexe Herausforderung sowohl für die LGBTQI+ Gemeinschaft als auch für die Unternehmenswelt dar. Es offenbart die Diskrepanz zwischen Marketingstrategien und authentischem Engagement für soziale Gerechtigkeit. Während Unternehmen versuchen, sich als fortschrittlich und inklusiv zu präsentieren, offenbart ein genauerer Blick oft eine oberflächliche Unterstützung, die nicht durch konkrete Taten oder interne Richtlinien untermauert wird. Die Folgen von Pinkwashing sind weitreichend: Sie reichen vom Vertrauensverlust bei KonsumentInnen und MitarbeiterInnen bis hin zu potenziellen Image- und finanziellen Schäden für die Unternehmen selbst. Gleichzeitig bietet die Auseinandersetzung mit Pinkwashing aber auch die Chance, über die Bedeutung von echtem sozialen Engagement in der Wirtschaft nachzudenken. Es unterstreicht die Notwendigkeit für Unternehmen, über reine Symbolpolitik hinauszugehen und sich tatsächlich für die Förderung von Diversität und Inklusion einzusetzen. Dazu gehört die Implementierung von inklusiven Richtlinien, die kontinuierliche Unterstützung der LGBTQI+ Gemeinschaft und eine transparente Kommunikation über das eigene Engagement. 

Insgesamt erinnert uns die Diskussion um Pinkwashing daran, dass Authentizität und Verantwortung in der heutigen Geschäftswelt unerlässlich sind. Unternehmen, die ein langfristig positives Image aufbauen und erhalten möchten, müssen erkennen, dass wahres Engagement für soziale Anliegen über die bloße Nutzung von Regenbogenfarben hinausgeht. Indem sie echte, nachhaltige Veränderungen anstreben und sich konsequent für die Rechte und das Wohlergehen aller Mitglieder der Gesellschaft einsetzen, können sie nicht nur potenziellem Backlash entgehen, sondern auch zu einer gerechteren und inklusiveren Welt beitragen.

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