13 min Zuletzt auktualisiert: 02.11.2023

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Was Unternehmen wissen müssen

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein Thema, das aufgrund seiner Brisanz und Auswirkungen ständiger Beachtung bedarf. In vielen Unternehmen und Branchen auf der ganzen Welt erfahren Menschen – überwiegend Frauen – Formen sexueller Belästigung, die ihre Sicherheit, Würde und berufliche Entwicklung beeinträchtigen können. Dieser Artikel wird sich damit beschäftigen, was genau unter sexueller Belästigung zu verstehen ist, welche Tatbestände darunter fallen, wo die Grenzen zwischen harmloser Interaktion und unangemessenem Verhalten liegen und wie Unternehmen proaktiv vorgehen können, um solch ein Verhalten zu verhindern. Das Ziel ist es, ein tieferes Verständnis für die verschiedenen Facetten dieses Problems zu schaffen und klare Handlungsanweisungen für Unternehmen bereitzustellen, die einen sicheren und inklusiven Arbeitsplatz für alle anstreben.

Was ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein ernstzunehmendes Problem, das häufig mit der Ausübung von Macht einhergeht und sich besonders häufig gegen Frauen richtet. Es handelt sich hierbei um Verhaltensweisen, die die Würde und das Wohlbefinden der Betroffenen beeinträchtigen. Diese Handlungen können vielfältig sein, und ihre Tatbestände reichen von verbalen Äußerungen bis hin zu physischen Übergriffen. So können beispielsweise anzügliche Bemerkungen, unangemessene Blicke, Worte, Kommentare oder Anspielungen, die einen sexuellen Unterton haben, in diesem Kontext stehen. Auch das Senden ungewollter Nachrichten oder Bilder mit sexuellem Bezug über Briefe oder elektronische Medien gehört dazu. Unangebrachte Berührungen oder gar die Androhung oder Ausübung sexueller Gewalt stellen ebenfalls Formen der sexuellen Belästigung dar. In vielen Fällen sind die TäterInnen KollegInnen oder Vorgesetzte der Betroffenen und nutzen ihre Position aus, um Macht und Kontrolle auszuüben. Dabei können sie nach außen hin unauffällig erscheinen, ihre Handlungen sind jedoch bewusst und zielgerichtet und geschehen häufig in der Absicht, die Betroffenen zu demütigen oder Macht über sie auszuüben. Die Belästigungen erfolgen oft während der regulären Arbeitszeit und im beruflichen Umfeld, was für die Betroffenen zusätzlichen Stress und Angst bedeutet. Es ist wichtig, diese Form der Gewalt zu erkennen und ihr entgegenzutreten, um ein sicheres und respektvolles Arbeitsumfeld für alle Mitarbeitenden zu gewährleisten. Ein offener Dialog, präventive Maßnahmen und eine klare Handhabung von gemeldeten Vorfällen sind entscheidend, um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu bekämpfen.

Wo beginnt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann schwierig zu definieren sein, insbesondere wenn die Linie zwischen harmloser Interaktion und unangemessenem Verhalten verschwimmt. Einige mögen einen Flirt oder komplimenthafte Bemerkungen als harmlos betrachten, aber wenn eine Person sich unwohl oder belästigt fühlt, betritt das Verhalten das Terrain der sexuellen Belästigung. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Deutschland bietet eine klare Definition und setzt Grenzen, um diese Art von Verhalten zu identifizieren und zu regulieren. Laut § 3 Absatz 4 AGG ist sexuelle Belästigung: “[…] ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, [das] bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“ 

Wie unterscheidet sich ein Flirt von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

  • Unerwünschtes Verhalten: Ein Schlüsselindikator für sexuelle Belästigung ist, wenn das Verhalten von einer Seite als unangenehm oder unerwünscht empfunden wird.
  • Demütigung und Entwertung: Eine Handlung wird als sexuelle Belästigung eingestuft, wenn sie dazu führt, dass sich eine Person erniedrigt, abgewertet oder in ihrer Würde verletzt fühlt.
  • Einseitige Interaktion: Wenn die Annäherung nicht auf beidseitigem Interesse beruht und eine Partei sich unwohl oder unter Druck gesetzt fühlt, wechselt die Situation von einem Flirt zu sexueller Belästigung.
  • Überschreiten von Grenzen: Das Ignorieren der persönlichen oder professionellen Grenzen einer Person ist ein klares Zeichen für sexuelle Belästigung.
  • Gegenleistungen für sexuelle Gefälligkeiten: Das Angebot von beruflichen Vorteilen im Austausch für sexuelle Gefälligkeiten ist ein unmissverständliches Beispiel für sexuelle Belästigung.
  • Drohungen bei Ablehnung: Das Androhen von beruflichen Konsequenzen, wenn sexuelle Avancen abgelehnt werden, verstärkt den ernsten und unzulässigen Charakter des Verhaltens.

Welche Formen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz gibt es?

Sexuelle Belästigung kann in unterschiedlichen Formen auftreten und variiert von verbalen Angriffen bis hin zu physischen Übergriffen.

  • Verbale Belästigung beinhaltet anzügliche oder explizite Bemerkungen, Anspielungen und Witze, die das Gegenüber unangenehm berühren können. Kommentare über Kleidung, Aussehen oder das Privatleben, die aufdringlich und beleidigend sind, fallen ebenso darunter wie sexuell zweideutige Aussagen. Es kann auch Fragen mit sexuellem Inhalt über das Privatleben oder die Intimsphäre der betroffenen Person umfassen. Aufforderungen zu sexuellen oder intimen Handlungen, einschließlich direkter oder impliziter Einladungen zu einem Rendezvous mit sexuellem Unterton, sind ebenfalls eine Form verbaler Belästigung.
  • In der nonverbalen Kategorie gehören aufdringliche oder einschüchternde Blicke, sowie das Hinterherpfeifen dazu. Auch das unerwünschte Versenden von E-Mails, SMS, Fotos oder Videos mit sexuellem Inhalt oder unangebrachte Annäherungsversuche in sozialen Netzwerken zählen als nonverbale Belästigung. Das Ausstellen oder Verbreiten von pornografischem Material und unsittliches Entblößen sind ebenfalls einzuordnen.
  • Physische Belästigung bezieht sich auf jeden ungewollten Körperkontakt, wie das Tätscheln, Streicheln, Kneifen, Umarmen oder Küssen, insbesondere wenn solche Berührungen als zufällig getarnt werden. Wenn jemand die übliche körperliche Distanz nicht wahrt und wiederholt körperlich zu nahe kommt, fällt das ebenso in diese Kategorie. Im extremen Fall erstreckt sich physische Belästigung auch auf Akte körperlicher Gewalt und sexualisierte Übergriffe, einschließlich Vergewaltigung.

Das Bewusstsein für diese unterschiedlichen Erscheinungsformen der sexuellen Belästigung ist entscheidend, um ein sicheres und respektvolles Umfeld für alle zu schaffen. Jeder hat das Recht, frei von solchen unangenehmen und respektlosen Verhaltensweisen zu leben und zu arbeiten.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Was die Zahlen uns sagen

Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle, hat etwa jede elfte erwerbstätige Person oder präzise 9 %, im Zeitraum der letzten drei Jahre, Erfahrungen mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemacht, wobei Frauen mit 13 % deutlich häufiger betroffen sind als Männer mit 5 %. Die Formen und Schweregrade dieser Belästigungen variieren erheblich. Verbale Belästigungen, insbesondere sexualisierte Worte bzw. Kommentare, wurden von 62 % der Betroffenen erlebt, während 44 % von unangenehmen Blicken und Gesten berichteten. Erschreckende 26 % waren unerwünschten Berührungen oder körperlichen Annäherungen ausgesetzt. Interessanterweise sind es meistens nicht einmalige Vorfälle. Eine erschreckende Mehrheit von 83 % erlebte mehr als eine solche Situation. Die emotionalen und psychischen Auswirkungen sind gravierend; eine erhebliche Anzahl der Betroffenen, 48 % der Frauen und 28 % der Männer, fühlten sich erniedrigt und abgewertet. Psychische Belastungen wurden von 41 % der Frauen und 27 % der Männer berichtet.

Die TäterInnen sind laut den Ergebnissen der Studie der Antidiskriminierungsstelle überwiegend männlich, mit 82 % der Betroffenen, die angeben, von Männern belästigt worden zu sein. Belästigungen finden häufig innerhalb der Belegschaft statt – 43 % durch KollegInnen und 19 % durch Vorgesetzte – aber auch KundInnen, KlientInnen und PatientInnen sind mit 53 % eine bedeutende Quelle der Belästigung. Sexuelle Belästigung tritt in allen Branchen auf, ist aber besonders im Gesundheits- und Sozialwesen (29 %), im Handel (12 %) und im Bereich Erziehung und Unterricht (10 %) verbreitet. Die Reaktionen auf diese Belästigungen sind ebenso besorgniserregend. Nur 23 % der Betroffenen haben sich offiziell beschwert und nur ein Bruchteil, 4 %, suchten Hilfe bei Beratungsstellen, während rechtliche Schritte fast nie eingeleitet werden. Trotz der gesetzlichen Verpflichtung für Arbeitgeber, betriebsinterne Beschwerdestellen einzurichten, sind über 40 % der Beschäftigten nicht über diese Möglichkeit informiert. Die Ergebnisse dieser Studie werfen ein grelles Licht auf die dringende Notwendigkeit, das Bewusstsein für, den Schutz vor und die Reaktionen auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu verbessern.

Wie kann sexuelle Belästigung in Unternehmen verhindert werden?

Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle bei der Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Die erste und vielleicht wichtigste Maßnahme ist, dass Vorgesetzte durch ihr eigenes Verhalten ein Vorbild sind und klare Standpunkte gegen sexuelle Belästigung vertreten. Dies bedeutet, die Mitarbeitenden regelmäßig über das Thema zu informieren und sie über mögliche Angebote zur Unterstützung aufzuklären. Ein effektives Instrument sind dabei klare Richtlinien und Betriebsvereinbarungen, die das gewünschte Verhalten der Mitarbeitenden und Führungskräfte festlegen. Diese sollten deutlich machen, wie sexuelle Belästigung definiert wird, welche Schritte in solchen Fällen einzuleiten sind und wie die Beteiligten miteinander umgehen sollen. Selbstverpflichtungserklärungen können ebenfalls dazu beitragen, dass sich alle der Wichtigkeit des Themas bewusst werden.

Es ist entscheidend, dass die Unternehmensführung sicherstellt, dass Führungspersonen sofort handeln, wenn sie von Fällen von sexueller Belästigung erfahren. Dazu sollten verbindliche Schulungen für Führungskräfte durchgeführt werden, und es sollten klare Vorgehensweisen, Zuständigkeiten und Sanktionen festgelegt werden. Im Unternehmen sollten sowohl spezielle AnsprechpartnerInnen für vertrauliche Beratungen als auch formelle Beschwerdestellen etabliert werden, die bei Vorfällen konsultiert werden können. Es ist essenziell, dass diese Stellen neutral agieren und eine Position im Unternehmen innehaben, die rasches und wirksames Handeln ermöglicht. Um stets ein aktuelles Bild von der Situation im Unternehmen zu haben, sollten regelmäßige Umfragen durchgeführt oder anonyme Möglichkeiten zur Beschwerde angeboten werden. Dies gibt Aufschluss darüber, ob und in welchem Ausmaß Probleme im Zusammenhang mit sexueller Belästigung oder anderen Formen von Diskriminierung bestehen. Basierend auf diesen Erkenntnissen können dann gezielte präventive Maßnahmen ergriffen werden, um einen sicheren und respektvollen Arbeitsplatz für alle zu gewährleisten.

Welche Rolle spielen Mitarbeiterschulungen bei der Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Die Schulung aller Mitarbeitenden zum Thema sexuelle Belästigung ist von zentraler Bedeutung. Es reicht nicht aus, nur Führungskräfte und Vorgesetzte zu schulen, da ein gemeinsames Verständnis auf allen Ebenen eines Unternehmens notwendig ist, um ein sicheres und respektvolles Arbeitsumfeld zu gewährleisten. Durch umfassende Schulungen werden Mitarbeitende sensibilisiert, was genau unter sexueller Belästigung zu verstehen ist, wie sie sich davor schützen können und wie sie reagieren sollten, wenn sie ZeugIn oder selbst von solchen Vorfällen betroffen sind. Darüber hinaus fördern solche Schulungen ein Klima der Offenheit und des gegenseitigen Respekts, indem sie klare Erwartungen an das Verhalten aller Einzelnen setzen. Ein weiterer Vorteil ist, dass gut informierte Mitarbeitende eher bereit sind, unangemessenes Verhalten zu melden und somit zur Aufrechterhaltung eines gesunden Arbeitsumfelds beizutragen. Ein proaktiver Ansatz in Form von Schulungen zeigt zudem, dass das Unternehmen das Wohlergehen seiner Mitarbeitenden ernst nimmt und aktiv gegen Diskriminierung und Belästigung vorgeht.

Fazit

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz stellt eine gravierende und weit verbreitete Bedrohung für die Sicherheit und Würde der ArbeitnehmerInnen dar, wobei Frauen überproportional häufig betroffen sind. Das Spektrum solcher Übergriffe reicht von verbalen Attacken bis zu physischen Übergriffen und spielt sich oft im Verborgenen ab. Trotz klarer rechtlicher Rahmenbedingungen sind viele Menschen unzureichend informiert und es fehlt oftmals an effektiven betriebsinternen Maßnahmen, die zu einer Verhinderung, Anzeige oder Aufklärung führen würden. Für Unternehmen besteht die Notwendigkeit, klare Richtlinien und Präventionsmaßnahmen zu etablieren, die nicht nur das Bewusstsein schärfen, sondern auch aktiv gegen diese Form der Diskriminierung vorgehen. Vorgesetzte müssen dabei eine Schlüsselrolle übernehmen, indem sie durch eigenes vorbildliches Verhalten, Schulungen und die Einrichtung von Beschwerdestellen das Thema aktiv adressieren. Ein respektvoller und sicherer Arbeitsplatz ist das gemeinsame Ziel und sollte als Grundrecht eines jeden ArbeitnehmerInnen angesehen werden. Es ist Zeit, dass alle Beteiligten ihre Verantwortung erkennen und aktiv handeln.

E-Learning zur Prävention von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Auch heutzutage stellt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz immer noch ein häufiges Problem dar. Viele Unternehmen unterschätzen dennoch das Risiko und setzen keine entsprechenden Gegenmaßnahmen. Mit unserem E-Learning sensibilisieren Sie Ihre Belegschaft nachhaltig zur Prävention sexueller Belästigung.

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